Die kommunale Ebene in Niedersachsen befindet sich auf dem Weg in eine existenzielle Krise: Zum wiederholten Mal warnte dieser Tage der Niedersächsische Städtetag (NST) vor einer Überforderung der kommunalen Haushalte. Auf 160 Millionen Euro schätzen die beiden die beiden Präsidenten des NST, Frank Klingebiel und Jürgen Krogmann das Defizit der niedersächsischen Kommunen. Dabei bildet dieser Finanzierungssaldo gar nicht die ganze Dramatik der Finanzsituation in vielen Kommunen ab. Gut ausfinanzierten Haushalten stehen in anderen Kommunen klamme Kassen gegenüber. 13 Prozent, also mehr als jede zehnte Kommune in Niedersachsen mussten im vergangenen Jahr ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen. Gleichzeitig hat das Land Niedersachsen nicht einmal eine genaue Einschätzung über den aktuellen Zustand der Kommunalfinanzen, denn in zahlreichen Kommunen liegen aufgrund des Personalmangels teils seit Jahren keine Jahresabschlüsse mehr vor. Insgesamt spricht der Landesrechnungshof in seinem letzten Kommunalbericht von 5.147 fehlenden Abschlüssen in den insgesamt 1.095 Kommunen des Landes. Ein nicht unerheblicher Teil der Kommunen ist nicht mehr in der Lage, die ihnen übertragenen Aufgaben aus eigener Kraft zu finanzieren. Auch durch die Erhöhung der Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer ist dort absehbar kein Haushaltsausgleich mehr zu erreichen.
Gleichzeitig kommen von Bund und Ländern immer neue Aufgaben auf die Kommunen zu, ohne dass die entsprechenden Bundes- und Landesregierungen für eine ausreichende Finanzierung dieser Aufgaben sorgen. Beschlüsse wie der Anspruch auf Ganztagsbetreuung, der in Niedersachsen durch die flächendeckende Einrichtung von Ganztagsgrundschulen umgesetzt werden soll, die gesetzliche Verankerung der dritten Kraft in den Kindertagesstätten aber auch die Wohngeldreform stellen immer neue Anforderungen an die kommunale Ebene, ohne dass sich die politisch Verantwortlichen Gedanken über die konkrete Umsetzung vor Ort machen. Nicht nur, dass viele Kommunen mit der Finanzierung dieser Aufgaben überfordert sind, auch der Personalmangel macht eine Umsetzung immer neuer gesetzlicher Vorgaben oft unmöglich.
Die Folge sind – vielfach durch die jeweilige Kommunalaufsicht erzwungene – Kürzungen im Bereich der freiwilligen Leistungen. Bäder werden reihenweise geschlossen, Sportvereine und Kultureinrichtungen sind durch Kürzungen in ihrer Existenz bedroht. Das führt nicht nur zu einem erheblichen Verlust von Lebensqualität in den Kommunen, es zerstört auch jeglichen Gestaltungsspielraum der kommunalen Vertretungen und schadet damit der Demokratie in den Gemeinden, Städten und Landkreisen. Die aktuelle Landesregierung und ihr Finanzminister Gerald Heere sind ganz offensichtlich nicht gewillt, diese Probleme anzugehen. Mit der Aussage, es fließe doch bereits jeder dritte Euro des Landes in die Kommunen, ist keiner Kommune in Niedersachsen geholfen.
Um die Kommunen in Niedersachsen wieder handlungsfähig zu machen, braucht es eine grundsätzliche Reform der Finanzierung von Städten, Gemeinden und Landkreisen. Kleine Korrekturen wie die Anhebung der Verbundmasse im Kommunalen Finanzausgleich (KFA), wie sie vom NST vorgeschlagen werden, sind nicht mehr als der sprichwörtliche „Tropfen auf den heißen Stein“.
Forderungen für ein neues Finanzierungssystem:
- Eine konjunkturunabhängige, auskömmliche Finanzierung der Kommunen. Auch nach Jahrzehnten der Reformen bleibt die Gewerbesteuer die Haupteinnahmequelle der kommunalen Ebene und macht sie so abhängig von konjunktureller Entwicklung. Die Gewerbesteuer muss deshalb auf breitere Füße gestellt und zu einer Gemeindewirtschaftssteuer weiterentwickelt werden, in die auch selbständige Tätigkeiten ebenso wie Mieten, Pachten und Schuldzinsen einbezogen werden.
- Das Konnexitätsprinzip muss verbindlich verankert werden. Aufgaben und Leistungen, die durch Bund und Land beschlossen werden, müssen von diesen auch vollständig finanziert werden.
- Die Kosten der Unterkunft müssen vollständig durch den Bund übernommen werden.
- Das System der Kofinanzierung gehört grundsätzlich auf den Prüfstand. Viele Kommunen nehmen mögliche Fördergelder gar nicht in Anspruch, weil die notwendigen Mittel für den Eigenanteil fehlen. So bekommen finanziell besser ausgestatte Kommunen deutlich mehr finanzielle Förderung als Kommunen mit leeren Kassen.
- Der Kommunale Finanzausgleich muss nicht nur grundsätzlich mit mehr Geld ausgestattet werden, er muss auch grundlegend überarbeitet werden.
- Um die Kommunen aus der Altschuldenfalle zu befreien, fordern wir die Einrichtung eines Altschuldenfonds um die Zins- und Tilgungslast zu senken.