Beschluss zur Leine-Volkshochschule ist ein fatales, falsches Signal

Der Rat der Stadt Hemmingen hat am Montag mit den Stimmen von CDU, FDP, DUH und Bürgermeister die Kündigung des Gesellschaftervertrages der Leine-Volkshochschule zum 31.12.2024 beschlossen. SPD, GRÜNE und LINKE stimmten dagegen. Damit droht der VHS nach mehr als 43 Jahren das Aus. Denn auch wenn mit der Kündigung offiziell eine bessere Verhandlungsposition gegenüber der Stadt Laatzen erreicht werden soll, ist die Entscheidung ein fatales Signal an die Beschäftigten und die Öffentlichkeit. Passenderweise titelten die Leine-Nachrichten am heutigen Mittwoch „Auch Hemmingen steigt aus der Leine-Volkshochschule aus“. Man muss davon ausgehen, dass das zum einen Auswirkungen auf die Anmeldezahlen in den kommenden Monaten haben wird. Denn niemand beginnt jetzt beispielsweise einen Anfängerkurs in einer Fremdsprache, wenn die Teilnahme an möglichen Folgekursen in den Sternen steht. Zum anderen werden sich auch die Beschäftigten nach Alternativen umsehen. Diese sind durch die nun schon mehrere Jahre immer wieder aufkommende Diskussion und die zwischenzeitliche Insolvenz ohnehin gebeutelt genug. In Zeiten des Fachkräftemangels könnte die Leine VHS nach möglichen neuen Vertragsverhandlungen ohne ihre wichtigste Ressource dastehen: Die Kolleginnen und Kollegen, die diese Volkshochschule ausmachen und eigentlich seit Jahren für erfolgreiche Arbeit im Bereich der Erwachsenenbildung stehen. Warum man den Gesellschaftervertrag mit Laatzen nicht einfach nachverhandeln kann, ohne zu kündigen, wenn man denn Interesse am Fortbestand der Leine VHS hat, konnte aus meiner Sicht nicht schlüssig erklärt werden.

Mit dem Aus der Volkshochschule droht eine wichtige soziale Einrichtung verloren zu gehen. Wie schon bei den Kürzungen und Personaleinsparungen im Zuge der Insolvenz könnten am Ende nach den Beschäftigten wieder Menschen mit geringem oder ohne Einkommen und Geflüchtete die Hauptleidtragenden auf Seiten der Nutzer*innen sein. Schon damals wurde im so genannten „Drittmittelbereich“ gekürzt, was nichts anderes heißt, als dass man die Werkstatt und damit einen Großteil der Arbeitsgelegenheiten (AGH) schloss und auch Programm in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter wegfielen. Erhalten blieb noch der Leine-Laden, der auch für Hemmingen und Pattensen eine wichtige Rolle spielt, als Sozialkaufhaus aber auch bei der Einrichtung von Wohnungen und Unterkünften von Geflüchteten. Ein Ende der VHS wäre sicherlich auch das Ende des Leine-Ladens.

Immer wieder ist in der Diskussion die Rede von „unterschiedlichen Sozialstrukturen“, davon dass Hemmingen „dörflicher“ sei als Laatzen. Schon ein Blick auf die einzelnen Ortsteile zeigt, dass etwas anderes dahinter steckt, schließlich wird man kaum behaupten können, Westerfeld sei dörflicher geprägt als Ingeln-Oesselse oder Grasdorf. Es stimmt, dass in der Stadt Hemmingen weniger Menschen mit Migrationshintergrund, weniger Geflüchtete und weniger Erwerbslose leben als in Laatzen. Ein Blick ins Sozialmonitoring der Region Hannover zeigt aber, dass es eben auch in Hemmingen Menschen gibt, die keine Arbeit haben, von Sozialleistungen leben oder nur sehr geringes Einkommen haben. Für 2022 verzeichnet der Bericht 439 Erwerbslose und 177 Langzeitarbeitslose. Nach Auskunft der Verwaltung leben momentan außerdem 644 Geflüchtete in der Stadt.

Und auch wenn sie bei uns nur einen geringeren Prozentsatz ausmachen als in den Nachbarkommunen, haben auch diese Menschen einen Anspruch auf Erwachsenenbildung. Wenn von der gesetzlichen Verpflichtung der Kommune zur Erwachsenenbildung die Rede ist, geht es eben nicht ausschließlich um Dinge wie Sprach- oder Bewegungskurse. Ein Blick ins Niedersächsische Erwachsenenbildungsgesetz zeigt, dass dazu „Maßnahmen zur Orientierung und Qualifizierung mit dem Ziel der Eingliederung in das Erwerbsleben“ oder „Maßnahmen, die die Integration von Zuwanderern zum Ziel haben“ gehören. Das wird in der Diskussion gerne ausgeblendet. Dass die Stadt Hemmingen im Extremfall mit den aktuell für die Volkshochschule eingeplanten 250.000 Euro (davon 100.000 Euro Mietkosten bei Garbe und 150.000 Euro Betriebskostenzuschuss für die VHS) allein ein gleichwertiges Angebot zur Erwachsenenbildung aufstellen kann, bezweifele ich stark. Dass gerade für diese in Hemmingen zahlenmäßig nicht ganz so starken Gruppen Angebote möglich sind, noch viel mehr. Hier profitiert eben nicht nur Laatzen von der bisherigen Kooperation.

Nicht zuletzt darf man die Hinweise unserer Gleichstellungsbeauftragen aus der letzten „Krise“ der Leine-VHS nicht vergessen, dass nämlich 80 Prozent der Nutzer*innen zum damaligen Zeitpunkt Frauen waren. Diese nutzten demnach vor allem Angebote um sich im Berufsleben eine bessere Stellung zu verschaffen und die immer noch existierende Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt auszugleichen.

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